Ein Jahr Trump: Feministischer Protest und (un)männliche Anbiederungen
Der Unterschied hätte krasser nicht sein können: während tausende Frauen der „Women’s March“-Bewegung den ersten Jahrestag der Amtseinführung von Donald Trump mit einem Protestmarsch für Frauen- und Menschenrechte begingen, ließen sich eine Woche später in Davos die Vorstandsvorsitzenden von 15 europäischen Unternehmen von Trump vorführen; sie huldigten begeistert seiner Steuerreform und den umfassenden Deregulierungen, weil beides zusammen ihre Aktienkurse und Gewinnaussichten beflügelt. Die negativen Folgen für den Staatshaushalt werden dagegen vor allem die Mittelschicht treffen. Die amerikanische Protestbewegung muss sich deshalb zukünftig stärker auf diese Umverteilung konzentrieren, wenn sie für die gesamte Gesellschaft relevant und gegen Trump erfolgreich sein will.
Mit der Einladung zu einem gemeinsamen Dinner hat der amerikanische Präsident seine Gäste regelrecht übertrumpelt: statt eine launige Dinner Speech zu halten forderte er die 15 geladenen Vorstandschefs dazu auf, reihum zum Besten zu geben, was sie zu seiner Steuerreform zu sagen haben. Und die taten brav, was er ihnen auftrug. Siemens-Chef Joe Kaeser war dabei besonders eifrig: „Weil Sie so erfolgreich waren mit der Steuerreform, haben wir uns entschlossen, unsere nächste Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln.“ Bravo!
Er hätte auch sagen können: „Ja, wir werden weiter in den USA investieren – so wie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auch.“ Und er hätte fairerweise erwähnen können, dass man in Deutschland solche Turbinen nicht mehr braucht, weil sie vor allem beim Bau von Kernkraftwerken zum Einsatz kommen; Kaeser hätte ein solches Statement eigentlich mit einem Dank für die klimapolitische Ignoranz des Präsidenten beenden können – das wäre wenigstens ehrlich gewesen.
Dabei müssten die Top-Wirtschaftslenker eigentlich wissen, was dem Land der „größten Steuerreform aller Zeiten“ (O-Ton Trump) blüht: eine weitere Umverteilung von unten nach oben mit erheblichen Risiken für die Zukunftsfähigkeit und den Wohlstand der Bevölkerung.(1) Das war bereits das Ergebnis der Steuerbegrenzungsinitiativen von Ronald Reagan, der Trump als Vorbild dient. Allein in Kalifornien, wo Reagan vor seiner Präsidentschaft als Gouverneur wirkte, führten Steuersenkungen dazu, dass Kaliforniens Schulen, die 1973 noch zu den landesweit besten gehörten, 30 Jahre später nur noch auf Platz 48 von 50 stehen.(2) Lehrer liefen wegen der geringen Bezahlung in Scharen davon, vielerorts wird nur noch an 4 Tagen pro Woche unterrichtet, ein großer Anteil von Schülern kann nicht ausreichend lesen und schreiben.
In den Reagan-Jahren verdoppelte sich die Schuldenlast der USA, und auch jetzt gehen die Schätzungen von mehr als 2 Billionen Dollar aus, die die Trumpsche Steuerreform den Staat kosten wird.(3) Kurzum: „Die Staatskasse wird ausgeraubt.“ (Bernie Sanders). Dieser neoliberale Eifer trifft nicht nur die sogenannte Unterschicht, sondern hat inzwischen auch die urbane Elite erreicht. Selbst winzige Wohnungen sind kaum noch bezahlbar und das Fehlen sozialer Hilfsprogramme für Eltern erschwert die Familiengründung.
Es gibt also Gründe genug, gegen die Steuerreform zu protestieren, ganz besonders für junge Familien, die zusammen mit ihren Kindern schon bald die Zeche dafür zahlen werden. Der öffentliche Protest fokussierte sich anlässlich des ersten Jahrestages der Amtseinführung von Donald Trump aber fast ausschließlich auf seine sexistischen und rassistischen Entgleisungen: sie waren die Hauptzielscheibe des Women’s March on Washington. Dieser Fokus kann trotz aller Berechtigung seiner Anliegen gefährlich werden, wenn er die gesamtgesellschaftlichen Konflikte und Herausforderungen verdrängt.
Es wird deshalb Zeit, dass sich Frauen und Männer zusammentun, um den großen Verteilungskampf zwischen Arm und Reich, zwischen alter und junger Generation offensiv zu führen. Zweifellos sind die Frauen der Women’s March-Bewegung die stärkste Anschubkraft in diesem Szenario, aber sie sollten ihre Brüder, Freunde und Partner stärker einbeziehen und die Themen erweitern. Denn eines muss jedem klar sein: dass Trump sexistisch und rassistisch ist, hat die Mehrheit der Amerikaner nicht davon abgehalten, ihn zu wählen. Wenn es aber an die Zukunftschancen der breiten Bevölkerung geht, kann dies auch die Trump-Basis in ihrem blinden Vertrauen erschüttern. Sie müsste dafür allerdings nachhaltig sensibilisiert werden.
Geschieht das nicht, könnten die frauen- und schwarzen-feindlichen Ausfälle dem Präsidenten sogar nutzen, indem sie von seinem eigentlichen politischen Tun ablenken.
(1) „Trumps Angriff auf Amerika“, Zeit Online vom 21. 12. 2017
(2) https://www.rand.org/pubs/periodicals/reandview/issues/spring2005/ulttest/html
(3) http://thehill.com/policy/finance/365446-analyses-cost-of-gop-tax-plan-could-exeed-2-trillion-if-made-permanent