Auslaufmodell Shopping Queen – jedenfalls mittelfristig

Auslaufmodell Shopping Queen – jedenfalls mittelfristig

Jedes Mal, wenn ich Shopping Queen gucke, wird mir klar, dass ich gar kein richtiges Mädchen bin: während die Teilnehmerinnen dieser Fashion Show täglich ihre meterlangen, prall gefüllten Schränke telegen zur Schau stellen und dann mit kreischender Begeisterung durch die Shoppingmeilen ihrer Städte hetzen, zeigen mir meine wenigen Schrankmeter und Schubladen: ich kann nicht normal sein! Jedenfalls im Moment noch nicht, vielleicht aber in Zukunft. Denn einer der großen Megatrends bei Mode heißt Fair Fashion, und die wird Schritt für Schritt die Shopping Mania zugunsten einer Selbstbeschränkung auf Qualität und dauerhaftere Tragbarkeit ablösen.

Shopping Queen bringt es im Nachmittagsprogramm von VOX regelmäßig auf bis zu 15 % Marktanteil. Im Jahresschnitt gucken jeden Tag knapp 800 000 Modebegeisterte diese Sendung, was gut 7 % der 14 – 49jährigen entspricht. Das Erfolgsrezept: modische Inspirationen, voyeuristische Einblicke in die Modesünden oder die figürlichen Fauxpas der Kandidatinnen und natürlich die scharfzüngigen Kommentare des sonst doch so netten Frauenverstehers Guido Kretschmer. Es handelt sich also um eine etwas kultiviertere Ausprägung des Kerns aller Reality Shows und Dokusoaps: Schadenfreude.

Schaden nimmt bei diesem konsumanstachelnden TV-Format vor allem auch der kritische, bewusste Umgang mit Mode. In kaum einem anderen Markt werden weltweit, insbesondere in der Dritten Welt, so komplexe Prozessstufen miteinander verwoben, und in zu vielen Fällen werden die Kriterien eines fairen Handels im Sinne einer fairen Bezahlung der einheimischen Produzenten hemmungslos verletzt. Dazu kommt die Ausbeutung natürlicher Ressourcen ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeitsaspekte. All dies geschieht zur Erzielung minimaler Preise für einen regelrecht entfesselten Konsum von Mode.

Wer an diesen unfairen Umständen der Produktion etwas ändern will, muss am billigen Konsumwahn der Shopping-Maniacs etwas ändern und dabei bei sich selbst anfangen. Das persönliche Shopping-Ideal heißt dann nicht mehr, möglichst viel für möglichst wenig Geld anzuhäufen, sondern eine größtmögliche nachhaltige Qualität innerhalb eines angemessenen Budgets für Mode zu erwerben. Selektion steigert den Wert des Gekauften und beweist gleichzeitig die eigene Wertschätzung sich selbst gegenüber.

Dazu ist es längst nicht mehr nötig, sich in die Mikro-Nischen der Fair Fashion Labels & Shops zu verziehen, denn immer mehr große Modemarken und –händler machen dafür inzwischen attraktive Angebote, darunter Mainstreamer wie C & A, H & M, die Otto Group, Ernsting’s family, Adidas, Reebok oder die Galeries Lafayette.

Zugegeben: noch sind das alles punktuelle Angebote mit relativ kleinen Umsatzanteilen. Das ändert aber nichts an ihrer strategischen Bedeutung für die Zukunft: je größer dieser Anteil wird, desto größer auch der Beitrag zu einer neuen, nachhaltigen Modekultur. Es geht dabei um den Pragmatismus der kleinen Schritte in die richtige Richtung, nicht um unrealistischen, weil unbezahlbaren Dogmatismus.

Mein Vorschlag an die Macher von Shopping Queen lautet deshalb, sich in diesen Pragmatismus einzubringen und in regelmäßigen Abständen modische Fair Fashion-Outfits von den Kandidatinnen zu fordern.

Die Botschaft: Fair Fashion sie ist nicht trist, sondern stylish.

Das würde den Quotenerfolg in den Dienst einer sinnvollen Sache stellen und zu einer breiteren Bewusstseinsbildung für nachhaltige Mode beitragen. Jedes einzelne fair produzierte Teil kann dafür eine Signalwirkung und Ausweisfunktion haben.

Und vielleicht ist dann eines Tages nicht mehr entfesselte Kaufwut das Erkennungszeichen modischer Girls, sondern ihr selektiver, bewusster Umgang mit den schier unbegrenzten Möglichkeiten der Mode.

 

 

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