Fair Fashion: Textiler Einklang mit sich selbst

Fair Fashion: Textiler Einklang mit sich selbst

Fair Fashion hat in den letzten Jahren mit beeindruckenden Wachstumsraten eine beachtliche Entwicklung vollzogen: Modemessen bieten Extra-Plattformen für fair produzierte Mode an; erste Fair Fashion-Marken haben sich sogar in traditionellen Modehäusern etabliert; etliche Bloggerinnen pushen das Segment mit topmodischen Styles; engagierte Käufer(innen) tragen fair produzierte mit großer Loyalität. Jetzt steht das Marketing der Fair Fashion-Spezialisten vor einer neuen Herausforderung, um in weitere, pragmatischere Käuferkreise vorzustoßen: sie brauchen einen emotionalen Mehrwert und nicht nur einen rational wirksamen Appell an das gute Gewissen.

Kaum ein anderer Markt steht so stark im Spannungsfeld zwischen Wünschen und Ängsten wie der für Mode:

– Auf der einen Seite will man mit Mode spielen und eine große individuelle Beweglichkeit erzielen – andererseits limitiert das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Anerkennung diesen Spielraum und erzwingt im Alltag Anpassungen an den modischen Mainstream.

 

– Auf der einen Seite setzen die Modemacher bei den Kundinnen schier grenzenlose Fantasien, Leidenschaften und Träume für die eigene Selbstgestaltung frei – andererseits begrenzen kleine Budgets und politische Korrektheit das Ausleben einer rauschhaften Lust an modischer Veränderung, die durch immer schnellere Trendwechsel dauerbefeuert wird.

Im Segment der Fair Fashion spitzen sich diese Spannungsfelder weiter zu – nicht nur weil fair produzierte Mode teurer ist und damit einem modischen Dauer-Kaufrausch monetäre Grenzen setzt; zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass das Gebot der Nachhaltigkeit nicht nur für die Produktion, sondern auch für das Tragen der Klamotten gilt: bevor was Neues in den Schrank kommt, sollte Altes erst mal “aufgetragen“ werden. Das klingt weder sexy noch nach Spaß, sondern nach Umsatzkiller.

Für das Marketing von Fair Fashion wird es zukünftig immer wichtiger werden, diesen Konflikt aufzulösen. Es muss gelingen, die Urfunktion von Mode, nämlich Spaß an der individuellen Selbstkonturierung, neu zu interpretieren und positiv gegen die permanente modische Neuerfindung abzugrenzen. Es geht darum, eine besondere emotionale Qualität von Fair Fashion zu definieren, die über rationale Einsichten und gute Absichten weit hinausgeht.

Der Schlüssel dazu liegt in einer umfassenderen Definition von Individualität: sie erkennt man nicht nur am modischen Geschmack, sondern auch an den persönlichen Werten und Überzeugungen. Die wahre individuelle Eigenart beweist sich daran, vollständig eins zu sein mit seinen innersten Überzeugungen.

Der besondere Nutzen von Fair Fashion liegt also darin, dass sie auf der emotionalen und ideellen Ebene das Gefühl bestärkt, vollständig eins zu sein mit sich selbst: mit seinen Werten, mit seinem modischen Geschmack. In Fair Fashion verschmelzt man also geradezu mit seinen ureigenen Überzeugungen für eine bessere Welt – individueller geht es nicht.

Das hat Konsequenzen für das Marketing. Während das werbliche Erfolgsrezept für Mode – grob vereinfacht – „Geiles Model in geiler Klamotte“ lautet, geht es bei Fair Fashion zusätzlich um eine Haltung, die mit einem klaren Zusatznutzen zu verbinden ist: überlegenes, wahres Wohlgefühl, das von innen kommt. Denn wirklich wohlfühlen kann man sich nur in Klamotten, die nicht nur mit dem eigenen Modegeschmack, sondern auch mit der eigenen Überzeugung vollständig in Einklang stehen. Die Marke, die diese Haltung als erstes und am besten auf den Punkt bringt, schlägt ein nachhaltiges emotionales Band zu ihren Kunden.

 

 

 

 

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